Selbstverteidigung mit dem Spazierstock

Selbstverteidigung mit Schirm oder Spazierstock

Selbstverteidigung, ein Thema, fast so alt wie die Menschheit. Ein Thema, mit dem sich wohl (fast) jeder mal irgendwann in seinem Leben mehr oder weniger intensiv befasst. Der einschlägige Fachhandel bietet dazu eine Vielzahl an speziellen Produkten an: Schreckschusswaffen (früher als „Scheintod-Pistolen“ bezeichnet), Gas-/ Pfeffersprays, Elektroschocker, spezielle Hiebwaffen wie Teleskopschlagstöcke oder Tonfas, akustische Alarmsignalgeber und sonstiges Allerlei an mehr oder weniger gut geeigneten Hilfsmitteln.

Equipment, welches gemäß Produktwerbung dazu im Stande sein soll, Aggressoren (hoffentlich) wirksam in die Flucht zu schlagen, ist praktisch in jeder Preisklasse zu erwerben. In den meisten Fällen ist es aber sehr ratsam, die im jeweiligen Zusammenhang geltenden, aktuell gültigen Rechtsvorschriften im Auge zu behalten und natürlich auch zu befolgen!  

Puristen setzen da lieber auf die Stärkung des Selbstbewusstseins durch das Erlernen von Nahkampftechniken, von denen es eine Vielzahl an meist fernöstlich geprägten Spielarten gibt. Hier werden sozusagen Arme und Beine durch entsprechend aufwändiges Körpertraining zu „Waffen“ herangebildet. Eine gewisse Sportlichkeit, oder zumindest doch Freude an Körperertüchtigung, sollte der geneigte Kampfsportlehrling aber schon mitbringen. Nur ausreichend viel Training macht auch hier den Meister.    

Manche schwören dann auf ganz defensives Verhalten und raten dem Attackierten ganz einfach zum Entziehen durch Flucht. Schnelle Beine können dann natürlich nicht schaden. Allerdings, nicht jeder ist körperlich zum Spurten in der Lage, bzw. nicht jede kritische Situation lässt sich so vermeiden.

Auch wenn deeskalierendes Verhalten in kritischen Situationen grundsätzlich angesagt ist, lässt sich eine handfeste Auseinandersetzung manchmal eben nicht mehr verhindern. Die Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft und die Brutalität, mit der bei Übergriffen vorgegangen wird, hat unbestreitbar zugenommen. Dabei werden mittlerweile oft auch die letzten Hemmungs- und Respektgrenzen überschritten. Selbst behinderte und alte Menschen finden keine Gnade, werden angepöbelt, niedergeschlagen, mit Messern attackiert und ausgeraubt.

Gut in Erinnerung sind wohl den meisten noch die von Überwachungskameras aufgezeichneten Übergriffe brutaler Schläger gegen Fahrgäste und Passanten an S-Bahn- und U-Bahn-Stationen verschiedener deutscher Großstädte. Die exzessive Gewalt, die sich u. a. mit  wuchtigen Tritten gegen Kopf und Körper bereits am Boden liegender wehrloser Opfer entlud, hat selbst hart gesottene Zeitgenossen schockiert. Ein Rentner in München überlebte die dabei erlittenen schwersten Kopfverletzungen nur durch sehr viel Glück. Er hatte es doch tatsächlich „gewagt“, zwei Jugendliche im S-Bahn-Abteil auf das dort geltende Rauchverbot hinzuweisen.

Viele ältere Menschen sind längst besorgt ob ihrer Sicherheit, mancher traut sich nur noch mit mulmigem Gefühl im Bauch und nicht mehr ohne Begleitung auf die Straße, vor allem bei Dunkelheit. Doch aufgemerkt: Manche ergeben sich nicht hilflos dieser Situation, sondern lernen, einen mitgeführten Sparzierstock oder Stockschirm als Waffe einzusetzen.

 

https://www.selbstverteidigungsschirm.de/

(Fotos mit freundlicher Genehmigung des Anbieters)

    

 

Senioren trainieren den „finalen Rettungsschlag“.

Was zunächst wie ein schräger Scherz klingt, ist in Wahrheit ein seriöses Angebot an Menschen ab 50 Jahren:

In Deutschland wurden Selbstverteidigungskurse ins Leben gerufen, in denen Senioren in für sie speziell entwickelten Trainingseinheiten lernen können, sich mittels eines Regenschirmes oder Spazierstocks erfolgreich zu wehren. - Angeboten werden die Kurse in der gesamten Bundesrepublik, sofern mindestens 20 Personen Interesse zeigen und sich anmelden. Veranstalter ist die Seniorenland GmbH, die mit diesem Programm das Selbstbewusstsein der älteren Menschen steigern möchte. - Menschen ab 50 Jahren können dort lernen, wie man sich mit Regenschirm oder Spazierstock gegen Messerattacken wehrt und wo sich die sensiblen Punkte am Körper befinden, um jemanden kampfunfähig zu machen. – Ob die Übungen in jedem Ernstfall erfolgreich sein können, sei mal dahin gestellt, aber gesteigertes Selbstbewusstsein, aufgrund des Vertrauens in die eigenen Fähigkeiten, kann im Notfall schon viel bewirken.

Laut einer Statistik des Bundeskriminalamtes werden Menschen im Alter über 60 Jahren besonders häufig Opfer eines Handtaschenraubes. Alleine im Jahr 2007 waren es 2247 Delikte. Zum Vergleich: In der Gruppe von 21 bis 59 Jahren wurden laut Statistik im gleichen Zeitraum ca. 1700 Frauen und Männer ihrer Tasche beraubt.

Wer nun aber glaubt, dass dieser spezielle Gedankenansatz zur Selbstverteidigung neueren Datums wäre, der irrt gewaltig. So erschien bereits im Jahre 1901 im englischen „Pearson’ s Magazin“ eine Abhandlung mit dem Titel „Self-defense with a Walking-stick“ (Selbstverteidigung mit dem Spazierstock), in der in 10 Kapiteln verschiedene Abwehrsituationen und Kampfmethoden unter Einsatz eines Spazierstocks oder Regenschirms beschrieben wurden. Autor des mit Zeichnungen bebilderten Artikels war Edward William Barton-Wright.

Der 1860 in Indien geborene Barton-Wright erhielt seine Ausbildung in Deutschland und Frankreich, arbeitete später in den 1890er Jahren als Mineningenieur in Japan und dort trainierte er auch Kampfsportarten wie „Judo“ und „Jujutsu“. 1899 ging er nach London und eröffnete dort  eine eigene Selbstverteidigungs-Akademie, an der neben ihm selber überwiegend japanische Lehrer tätig waren. Barton-Wright benannte die dort vermittelte Spazierstock- und Regenschirm-Kampftechnik „Bartitsu“. Diese Methode wurde später in verschiedenen britischen Magazinen und Publikationen dem geneigten Leser vermittelt.

Quelle: Pearson’s Magazine -January 1901, notes by Ralph Grasso and Joseph Svinth  - http://ejmas.com/jnc/jncart_barton-wright_0200.htm

Eine Selbstverteidigungsmethode, bei der nicht speziell dazu angeschaffte Waffen eingesetzt werden, sondern bei der man Dinge des allgemeinen und alltäglichen Gebrauchs als Werkzeuge einsetzt, ist eine absolut  nahe liegende  und alltagstaugliche Lösung. Mit ein wenig Übung lässt sich damit ganz sicher einiges bewirken. Immer aber sollte man seine eigene Leistungsfähigkeit in einer  körperlich geführten Auseinandersetzung richtig einschätzen und den „finalen Rettungsschlag“ nur als letzte Option ansehen, um sich selber vor einem ansonsten unvermeidlichen Übergriff zu schützen. Das Überraschungsmoment kommt einem Angegriffenen dabei ganz sicher zu Gute, wenn sich nämlich der Angreifer statt mit der erwarteten Opferlammrolle seines Gegenübers plötzlich und unvermittelt mit selbstbewusster und gekonnter Gegenwehr auseinandersetzen muss.    

Eine Sache, die Schule machen sollte!

 

Weitere Links zum Thema:

http://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_Vigny

http://www.kampfkunst-board.info/forum/f84/kunst-spazierstockes-pierre-vigny-70005/

http://www.alte-kampfkunst.de/cgi-bin/cowman?f=content/kampfkunst/kurs_wss&s=mccswwzsmwouptjbxiybeujditnpbw&

 

GUNIMO

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